Worum's geht:
Will, ein Junge, der im Oxford "unserer" Welt lebt, hat es nicht
leicht. Sein Vater ist vor zehn Jahren bei einer Expedition verschwunden
und seine Mutter leidet anscheinend an einer Geisteskrankheit. Als zwei
Männer in sein Zuhause einbrechen und versuchen, eine grüne
Mappe zu stehlen, tötet er einen der beiden. Will muß fliehen.
Bei seiner Flucht gerät er durch ein Fenster in eine andere Welt.
In dieser Welt trifft er Lyra, die dort hingeraten ist, als sie ihrem
Vater über die Brücke folgte. Die beiden Kinder schließen
sich zusammen und helfen sich gegenseitig, Wills Vater zu finden und das
Geheimnis des Staubes zu ergründen.
|
|
|
|
Warum's so gut
ist:
"Das magische Messer" besticht durch seine Komplexität:
Es handelt von Physik, Philosophie, Religion, Schamanismus, von Platons
Höhlengleichnis, von der Erschaffung der Welt, von Gott und dem Teufel,
von Gut und Böse, von Armageddon, von Engeln und Gespenstern, von
Hexen und der Inquisition, von der Kernspaltung, von Freundschaft, Treue,
Verrat und Tod und es ermutigt den Leser seinen eigenen Instinkten zu
vertrauen und nicht blindlings auf Autoritäten zu hören. Eigentlich
müßte die Handlung ein einziges Tohuwabohu sein. Daß
der Roman nicht unrettbar im Chaos versinkt, ist das Verdienst von Philip
Pullman. Da schreibt jemand, der trotz des umfangreichen Inhaltes klare
Handlungsstränge entwickeln kann, und der nie den roten Faden verliert.
Dabei wirkt der Roman nicht überfrachtet, sondern alles erscheint
völlig natürlich, so daß ein Leser dieses Buches es wahrscheinlich
ganz normal finden wird, wenn ihm plötzlich massenhaft Menschen mit
außergewöhnlichen Tieren an der Seite begegnen oder wenn demnächst
ein Engel durch seinen Computer mit ihm kommuniziert. Außerdem versteht
Pullman es, den Leser immer wieder zu verblüffen. Als Lyra Will zum
erstenmal trifft, fragt sie das Alethiometer, ob Will ein Freund oder
ein Feind ist. Das Gerät antwortet, er sei ein Mörder, worauf
Lyra sofort beschließt, Will zu vertrauen.
Trotz einiger Gewaltszenen und trauriger Ereignisse ist das Buch für
Kinder ab ca. 12 gut geeignet. Gewalt wird nie unmotiviert ausgeübt,
und Kinder, die Grimms Märchen verkraftet haben, in denen Frauen
nackt in mit Nägeln gespickten Fässern zu Tode gerollt werden
oder in Backöfen verbrannt werden, werden auch hier keinen Schaden
nehmen. Allerdings braucht das Buch unbedingt Menschen, die gerne lesen.
Kinder oder Erwachsene, die vor Harry Potter noch nie ein Buch in die
Hand genommen haben und jetzt auf den Gedanken kommen, sie könnten
sich ja mal ein "Zweitbuch" anschaffen, das womöglich auch
noch "wie Harry Potter ist" werden an diesem Zyklus keine Freude
haben. Für Erwachsene ist es ein besonderes Vergnügen, sämtliche
Anspielungen herauszufinden, die die Literatur und das Weltgeschehen betreffen,
aber das ist nur ein besonderer Kick. Für Erwachsene, die sofort
zwanghaft zum Lexikon greifen müssen, um nachzuschlagen, ob es dieses
anbarische Dingsbums wirklich gibt und was Platon jetzt eigentlich mit
seinem Höhlengleichnis genau meinte, ist das Buch ebenfalls nicht
geeignet. Dieser Roman braucht Leser, die in eine Geschichte versinken
können und ihre Neugier auf das Ende beibehalten, auch wenn ihnen
nicht immer klar ist, worauf der Autor hinauswill und wie die Geschichte
letztendlich ausgehen wird.
(rezensiert von: Top
Dollar)
|
|
|