Worum's geht:
Endlich wird König Ferdinand und Königin Isabella der ersehnte
Thronfolger geboren. Der König ist ein sehr ängstlicher Mensch
und vom ersten Tag an erläßt der Herrscher höchst unsinnige
Anordnungen, um den kleinen Prinzen Jan vor vermeintlichen und realen
Gefahren zu schützen. Der Säugling darf nicht in die Wiege gelegt
werden, weil sie zu sehr schwankt und der Prinz herausfallen und sich
das Genick brechen könnte. Als Jan größer wird, verbietet
ihm sein Vater, das große "E" zu lernen, da es wie eine
Gabel aussieht, und das Kind sich an einem solchen Mordinstrument aufspießen
könnte. Also entfernt ein königlicher Buchstabenwegschneider
sämtliche "Es" aus den Büchern des Prinzen. Je älter
Jan wird, um so mehr leidet er unter den hanebüchenen Vorsichtsmaßnahmen
seines Vaters, aber wer kann dem König schon widersprechen? Schließlich
wird der überbehütete Junge krank. Da lernt er Sophie kennen,
die unbekümmert alles tut, was ihm verboten ist. Die Beiden werden
Freunde und schließlich findet Jan die Kraft, sich gegen seinen
Vater aufzulehnen.
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Bibliotheka Phantastika verleiht Sterne:
Auf den ersten Blick ist Die wilde Sophie ein Kinderbuch, das sich
auf witzige Weise mit dem Thema "Angst" auseinandersetzt. Jedes
Kind erkennt, daß die Ängste des Königs Ferdinand übertrieben
sind. Nachdem der kleine Jan von einer Mücke gestochen worden ist,
läßt der König die Fenster zunageln, damit diese blutdürstigen
Viecher draußen bleiben und gleichzeitig verhindert wird, daß
der Prinz der Zugluft ausgesetzt ist. Als Jan einen Schnupfen hat, und
seine Mutter ihm Lindenblütentee mit Honig machen möchte, alarmiert
der König den Leibarzt, der genau weiß, was von ihm erwartet
wird und folglich keine simple Erkältung, sondern eine weitaus gefährlich
klingendere Rhinitis vaso motorica diagnostiziert, worauf Ferdinand, der
keine Ahnung hat, daß ein Schnupfen ein Schnupfen bleibt, auch wenn
man ihm einen lateinischen Namen gibt, seinen Sohn am Rande des Grabes
wähnt. Aber Ferdinands übertriebene Ängste sind eben nicht
nur skurril und lächerlich, denn sie haben schwere Folgen für
Jan. Um seinen Sohn zu schützen, erläßt der König
Anordnungen, die ihm schaden. Jan wird traurig, unglücklich und schließlich
gemütskrank. Eigentlich ist der Junge aufgeweckt, neugierig und entdeckungsfreudig
wie jedes Kind. Aber der Vater nimmt ihm jede Möglichkeit, ein normales
Leben zu führen und Erfahrungen zu machen, die für seine Entwicklung
notwendig sind. Die Königin ist eine vernünftige und pragmatische
Frau, die Jan ganz normal aufwachsen lassen möchte, sie kommt aber
gegen den allmächtigen König nicht an. Und der kleine Prinz
kann sich gegen seinen Vater erst recht nicht zur Wehr setzen.
Jan darf erst an seinem siebten Geburtstag den dunklen Palast für
kurze Zeit verlassen und einen Ausflug an die frische Luft machen. Obwohl
es ein angenehm warmer September ist, zieht man ihn an, als wolle er zu
einer Polarexpedition aufbrechen. Je weiter die Geschichte fortschreitet,
um so eindringlicher wird die Botschaft, die Lukas Hartmann seinen Lesern
vermittelt. Kinder, die in Watte gepackt werden, nie spielen, nie toben,
nie kleine Abenteuer erleben dürfen, auch wenn sie sich dabei blaue
Flecke und aufgeschürfte Knie zuziehen, werden körperlich krank
und verkümmern seelisch. Dabei bedient Hartmann nicht das alte Vorurteil,
der überängstlichen Mutter, die als sorgenvolle Glucke ihr Kind
verzärtelt. Er enthüllt einen ganz anderen Charakterzug Ferdinands.
Der König ist nicht nur ein Feigling, er ist auch ein Tyrann, und
er ist deshalb so tyrannisch, weil er so viel Angst hat und dies nicht
zugeben will. Angst gebiert nicht nur Vorsicht, sondern auch einen Zwang
alles und jeden zu kontrollieren, damit das Gefürchtete nicht eintritt.
Deshalb duldet Ferdinand keinen Widerspruch gegen seine Anordnungen, die
angeblich seinen Sohn schützen sollen, jedoch nur ein Versuch sind,
des Königs Ängste zu mindern und Jan schaden, der kaum je an
die frische Luft darf, nichts Vernünftiges zu essen bekommt und keinen
Kontakt zu anderen Kindern hat, bis er zufällig Sophie kennenlernt,
die mutig ist und offen sagt, was sie denkt, und die sich in den Kopf
gesetzt hat, Jan zu befreien. Von diesem Augenblick an wird die Geschichte,
die so lustig begonnen hat, ein spannendes und auch stellenweise trauriges
Lehrstück über Freundschaft, Tapferkeit, Treue, Entschlossenheit
und die Notwendigkeit ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
(rezensiert von: Top
Dollar)
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