DER GROSSE PAN

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Wertung: 4 von 5
1 Rezension
-"Ich bin froh, daß Sie gekommen sind, Clarke, sehr froh. Ich war mir nicht sicher, ob Sie die Zeit finden."-
Das Experiment
Zyklus/Band - (Zusammen mit Das innerste Licht in: Der große Pan
Autor Arthur Machen
Original The Great God Pan
Erscheinungsjahr 1926, dt. 1994
Verlag Piper
ISBN 3-492-11404-0
Subgenre Klassische Phantastik, Science Fantasy
Seitenzahl 76
Probekapitel -
Worum's geht:
Der exzentrische Forscher Dr. Raymond hat seinen Bekannten Mr. Clarke eingeladen, um an einem bahnbrechenden Experiment teilzunehmen. Der Forscher behauptet, daß die Welt, wie sie den Menschen erscheint, nicht mehr als bloßer Schein ist, seine Forschungen ihm aber den Weg gewiesen hätten, den Schleier zu lüften und die Wahrheit zu schauen; nur ein kleiner operativer Eingriff ins Gehirn des Menschen ist nötig. Das Gossenkind Mary, welches der gute Arzt aufzog, soll das menschliche Versuchskaninchen werden. Mr. Clarke äußert nur schwachen Protest, ahnt er doch, daß etwas schief gehen könnte...

Bibliotheka Phantastika verleihtSterne:
Das Geschehen trägt sich im "realen" England des späten 19. Jahrhunderts zu, weite Teile in den unterschiedlichen Vierteln Londons, ein wenig in dem Dorf Caermaen im walisischen Grenzland. Auch wenn Sitten und Gebräuche Englands nicht weiter thematisiert werden, sondern nur dezent im Hintergrund stehen, beeinflussen sie doch fest das Handeln der Figuren. In manchen Szenen kommt ein leichtes Gefühl der Urbanität auf.
Das phantastische Element ist nicht leicht zu beschreiben, denn der Leser kann nur darauf schließen, er sieht es niemals selber. Es ist die Wahrheit hinter dem Schleier und die Dinge, die dort existieren (wenn man dazwischen trennen kann). Menschen, die Kontakt dazu hatten, beschreiben diese oftmals als Satyren oder Faune mit Ausdrücken von entsetzlicher Bosheit. Die antiken Griechen sagten, man habe den großen Gott Pan geschaut. Wahnsinn, unbändiger Zorn und tiefste Verzweiflung sind die Folgen. Dann tritt noch eine Frau auf, Helen V., die scheinbar einen engen Kontakt zur anderen Seite hat. Die Phantastik ist nur sehr schwer einzuordnen - irgendwo zwischen Science Fiction, Fantasy und Horror - "Old Weird" könnte man sagen und tatsächlich gehörten Machens phantastische Werke auch zu den Vorbildern Lovecrafts, die Nähe zu Das Grauen von Dunwich ist deutlich spürbar.
Es gibt gleich eine ganze Reihe von Plot-relevanten Figuren. Alle werden zwar nur kurz skizziert, aber es gelingt Machen schnell, ihnen Glaubwürdigkeit und Lebendigkeit einzuhauchen. Leider ähneln sich die Londoner Herren mitunter zu sehr. Da ist Dr. Raymond, ein ehrgeiziger Wissenschaftler, dessen Erkenntnisdrang stärker als sein moralisches Empfinden ist. Mr. Clarke, ein fest auf dem Boden der Tatsachen stehender, sehr nüchterner Geschäftsmann, der heimlich seiner Lust am Obskuren und Unglaubwürdigen frönt. Und schließlich Mr. Villiers und Mr. Austin, zwei voyeuristische Londoner Gentlemen mit einem Hang zum Phantastischem - doch Villiers ist deutlich moralischer und willensstärker. Er ist am ehesten die Hauptfigur. Daneben treten noch etliche weitere Figuren auf, die zumeist einen Plotpunkt zu machen haben oder für eine angemessenen Kulisse sorgen.
Die Geschichte ist sehr verzwickt; es geht um menschliche Hybris. Den Glauben, das, was man aus dem Dunkeln herausstochert, auch kontrollieren zu können. Das Ergebnis ist eine Art Monster - einerseits eine schöne Frau, andererseits die Nemesis des Menschen/Mannes. Thema ist die Neugierde - sie schafft das Problem und führt z.T. zu einer Lösung. Wissensdurst bewirkt Gutes, so die Moral der Geschichte, wenn er von der Moral gelenkt wird.
Die Erzählform ist ebenfalls recht ungewöhnlich. Mosaiksteinartig setzt sich die Geschichte zusammen - Mr. Clarke erfährt ein wenig, Mr. Villiers ermittelt und sieht viel, Dr. Raymond trägt ein paar Spekulationen dazu bei. Mal sind die Protagonisten alleine unterwegs, mal tauschen sie sich aus, mal sind sie Augenzeuge, mal hören sie eine Geschichte oder lesen einen Brief - der Leser muß all diese Fragmente selbst zusammenpuzzeln, was keine leichte Aufgabe ist. Unternimmt der Leser keine Anstrengung, so bleibt dieses eine wirre, von vielen Zufällen geprägte, eher unspektakuläre Geschichte. Macht man sich aber die Mühe, so kann man erkennen, was sich hinter dem Schleier verbirgt. Dieses ist eine Geschichte, die dem Leser viel Phantasie abverlangt, statt ihm ein phantasievolles Gemälde zu präsentieren.
Die Sätze sind zwar relativ lang, aber dennoch elegant und flüssig. Die Wortwahl ist immer stimmig. Die Dialoge sind natürlich und enthalten z.T. ein wenig Humor.
(rezensiert von: Theophagos)

Wertung
gesamt
Welt
Aufmachung
Sprache
Story
Karte
Personenglossar
Sachglossar
Hinweise zu Sprache/Aussprache
Illustrationen
Zeichnungen/Sonstiges

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Stimme in der Nacht

Fazit: Geboren aus menschlicher Hybris ist das Unglück, welches die ehrenwerte Gesellschaft Londons heimsucht; diese "Old Weird"-Geschichte ist zwar kein Meisterwerk, aber an vielen Stellen sehr originell und durchaus lesenswert - wenn man sich die eigene Phantasie anregen läßt.


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