Worum's geht:
Erzählt wird die Saga vom größten König der Dänen,
Hrolf Kraki, und den größten Helden an seinem Hof. Es wird
von Streit und Zorn, in die sein Vater Helgi und sein Onkel Hroar verwickelt
waren, berichtet und davon, wie Hrolf und seine Mannen das daraus erwachsende
Unheil handhaben. Es ist eine Saga voll von Zauberei, denn Hexen und Trolle
waren unter den Heiden nicht unbekannt, und voll von Kämpfen, denn
Odin, der Herr des Sieges, kann den Frieden nicht akzeptieren - wem sollte
er denn dann seine Gunst schenken?
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Bibliotheka Phantastika verleiht Sterne:
Die Saga findet in weiten Teilen Skandinaviens statt, vom heutigen Niedersachsen
bis hin nach Norwegen und Finnland, vor allem aber in Dänemark und
Schweden. Zeitlich ist sie in der ersten Hälfte des sechsten Jahrhunderts
einzuordnen - zur "Mitternacht des dunklen Zeitalters", wie
der Autor meint. Die modernen Namen sind Anachronismen, die Anderson meint
wegen der besseren Verständlichkeit nutzen zu müssen - neben
dem jütländischen Dänemark gibt es also noch viele kleine
unabhängige politische Gebilde, die auf dem Boden des heutigen Dänemarks
zu finden sind. Im Vorwort - zur Mitternacht - kündigt der Autor
"Totschlag, Sklaverei, Raub, Vergewaltigung, Folter, blutige oder
obszöne heidnische Rituale" als Teil des Alltags an; doch nur
soweit sie für den Plot relevant sind, treten sie in das Blickfeld
- es gibt keine expliziten oder gar ausführlichen Beschreibungen
davon, was dazu führt, daß diese Taten mit einem Schulterzucken
abzutun sind. Zudem wird deren Bedeutung in der Kultur nicht erläutert,
wie die Kultur insgesamt eher nebensächlich ist; so muß der
Leser sich die z.T. doch recht fremde Moral selbst erschließen -
eine Vergewaltigung ist nicht per se unmoralisch, sie ist es nur, wenn
der eigenen Seite Schaden daraus erwächst, z.B. Ehrverlust etc. -
eine eher pragmatische Herangehensweise. Längere Beschreibungen,
von denen es einige gibt, gelten eher Techniken oder wie ein Haus aussieht
usw. Auch die Landschaften werden ausführlicher beschrieben. Seefahrt
spielt interessanterweise fast keine Rolle. Das Setting ist also ein Ambiente,
dem nur relativ wenig Raum gewährt wird. Die eigentliche Saga ist
zwar in eine Rahmenerzählung eingebettet, doch diese zwei Seiten
kann man getrost ignorieren.
Magische Elemente gibt es gleich einige. Die Zauberschwerter Skufnung
und Lövi,
beide außerordentlich scharf und schön, gelangen neben weiteren
magischen Waffen in die Hände der Helden und mit ihnen müssen
Trolle, wie ein drachenartiges Ungeheuer oder gewaltige Wildschweine besiegt
werden. Es tritt Feenvolk auf, von denen eine die Mutter von Skuld, der
Halbschwester von Hrolf wird - und selbst Götter greifen in die Geschicke
der Sterblichen ein. Allerhand Zauberer und Hexen wirken ihre subtile
Magie, die auf dem sympathetisch-analogen Prinzip basiert. Meist sind
es Flüche, die gegen die Helden oder die Ihrigen gesprochen werden
- so wird der Vater Bjarkis, Björn, in einen Bären verwandelt.
Diese beiden Figuren dürften Tolkien zur Figur des Beorn
aus Der
kleine Hobbit inspiriert haben. Die magischen Elemente - sieht
man von den Schwertern ab - sind üblicherweise gegen die Helden gerichtet,
bestenfalls ambivalent, aber gefährlich sind sie alle. Die Elemente
entstammen dem skandinavischen Sagenkreis.
Es gibt relativ viele Figuren, deren Psyche - um den Geist der Vorlage
zu erhalten - vom Autor nur wenig beleuchtet wird. Die Figuren wirken
archetypisch - was nicht weiter überrascht, waren die skandinavischen
Sagen doch Vorbild für viele Fantasy-Romane. Darüber hinaus
neigen sie zur Exzentrik, da sie aber nur selten näher beschrieben
werden, wirkt dieses weder störend, noch interessant, wobei es potential
für einige spannende Charakter-Konflikte in sich trägt.
Die eigentliche Geschichte besteht aus sieben Episoden um die dänische
Fürstenfamilie der Skjöldungen. Es beginnt mit der Vorgeschichte
der Vorgeschichte, in welcher der böse und grausame Großonkel
Frodhi seinen guten Bruder ermordet, um selbst König der Dänen
zu werden. Mit viel Aufwand läßt er seine Neffen Helgi und
Hroar verfolgen. Diese Episode trägt nur sehr wenige zur Saga bei;
sie hätte auch mit einem oder zwei Absätzen in der Vorgeschichte,
der Geschichte um den ungestümen Helgi und den nachdenklichen Hroar,
erzählt werden können. Während Hroar den Frieden durch
Bündnisse und gerechte Richtsprüche voranzubringen sucht, vergewaltigt
der von Abenteuerlust und Beutegier getriebene Helgi die Sachsenkönigin
Olof, um seine Ehre wiederherzustellen - von da versucht Olof sich an
Helgi zu rächen. Jahre später reist Helgi erneut in ihr Reich
und verliebt sich unwissend in seine Tochter Yrsa - und heiratet sie.
Ihr gemeinsamer Sohn ist Hrolf. Schließlich wird Hrolf, der vieles
von seinem kriegerischen Vater aber noch mehr von seinem weisen Onkel
hat, nach langen Jahren, die nicht alle leicht sind, selbst König
der Dänen und muß mit Fehden umgehen, deren Ursache in der
Vergangenheit liegt (meist war sein Vater Helgi darin verwickelt) - vieles
läßt sich mit freigiebigen Geschenken glätten, manches
durch gerechte Rechtsprechung und geschickte Heiratspolitik, aber anderes
erfordert den kalten Stahl. Es werden die Episoden seiner wichtigsten
Kämpen, dem Tapferen und standfesten Svipdag oder dem bärenstarken
und kampfgewaltigen Bjarki erzählt, aber auch die seiner Halbschwester
Skuld, die eine sehr ehrgeizige Halbelfe und mächtige Hexe ist.
Als Ganzes betrachtet wird die Saga in abenteuerlichen Episoden - denen
man vom Handlungsverlauf her die Nähe zur Sword & Sorcery deutlich
anmerkt - erzählt; Dynastic Fantasy mit starken Elementen aus dem
Märchen-, bzw. Sagenschatz Skandinaviens. Die Spannung entsteht hauptsächlich
aus den bedrohlichen Situationen, doch insgesamt bleiben die Figuren zu
fremd um die Bedrohung auf den Leser zu übertragen. Stärker
wirkt die Spannung, die aus den Wendungen der Handlung entsteht - dieser
wird vom Autor aber zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Die Handlung der
Episoden schreitet rasch voran, so daß trotz der Schwächen
keine Langeweile aufkommt.
Erzählt werden die Episoden aus auktorialer Perspektive von einem
allwissenden Erzähler, der sich jedoch nur selten offenbart. Wie
erwähnt, ist die Erzählung der Saga eingebettet in eine knappe
Rahmenerzählung, die im 10. Jahrhundert n. Chr. von einer in England
lebenden Dänin dem König Æthelstan erzählt wird und
komplett überflüssig ist. Die Saga folgt einigen Strängen,
die im Laufe der Zeit alle wenigstens einmal die Geschicke der Skjöldungen
kreuzt. Entwicklung und Desillusionierung halten sich die Waage.
Die Stilhaltung ist neutral mit einem Hang zum Empathischen und sowohl
Satzkonstruktionen als auch Wortwahl versuchen den Stil skandinavischer
Sagas mit modernen Sprachduktus zu verbinden; herauskommen kurze und nüchterne
Sätze, die dieses Ziel recht gut umsetzen.
Diese Geschichte ist kein neuer Stoff, ja nicht einmal inspiriert von
einem engen Quellenkorpus - es ist die Nacherzählung einer real bestehenden
Saga - Hrolf
Krakis Saga eben; den Text kann man auf der Seite der Northvegr
Foundation einsehen (etwas herunterscrollen). Anderson wollte einen
Mythos des Nordens, ähnlich dem Epos Beowulfs,
der übrigens in der Saga unter den Namen Bjovulf auftritt - Hroars
(Hrothgar im Beowulf-Epos) Halle wird von dem Troll Grendel, den Beowulf
erschlägt, heimgesucht - schreiben.
(rezensiert von: Theophagos)
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