WILDE REISE DURCH DIE NACHT

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2 Rezensionen
-Als es dunkel wurde, stach Gustave in See.-
Zyklus/Band -
Autor Walter Moers
Übersetzung -
Erscheinungsjahr 2001
Verlag Eichborn
ISBN 3-8218-0890-x
Subgenre Märchen
Seitenzahl 206
Probekapitel -
Worum's geht:
Der junge Gustave ist Kapitän des Schiffes Aventure, das von einem Siamesischen Zwillingstornado verfolgt und zum Untergang gebracht wird. Als der Tod und seine Schwester Dementia auftauchen, um die Seele des Jungen einzufordern, schließt er eine wahnwitzige Wette mit dem Tod ab: Sechs schwierige Aufgaben muß er in einer Nacht meistern, um dem Tod zu entgehen. Er beginnt mit der Rettung einer Jungfrau vor einem Drachen, doch bei den vom Tod gestellten Aufgaben ist niemals alles so, wie es scheint...
Bibliotheka Phantastika verleihtSterne:
Als Hommage an den einstmals bekannten und nun doch fast vergessenen Illustrator Gustave Doré ist dieses Buch zu verstehen, in dem Moers aus einer Auswahl von dessen Illustrationen ein Märchen über den jungen Gustave, der später ein Künstler werden will, zusammengebastelt hat. Diese beklemmenden, düsteren und erstaunlich intensiven Bilder sind dann auch mit das Faszinierendste an dem Roman und laden zum längeren Ansehen und Weiterschweifen der Phantasie ein.
Die Geschichte als ganzes ist ein nettes Märchen, dem man aber an vielen Stellen anmerkt, daß es zusammengestöpselt ist. Leichte Unterhaltung für Kinder (eingeschränkt zu empfehlen - schon die Bilder sind teilweise ziemlich heftig) und Erwachsene: ja - aber man sollte nicht zu viel von der Grundhandlung erwarten. Allerdings ist sie in einem sehr schönen Sprachstil, der an und für sich schon meisterhaft unterhält, erzählt, und bietet wieder massenhaft moers'sche aberwitzige Ideen. Es gibt viel zu lachen in dieser seltsamen, aber gelungenen Mischung aus Düsternis und Witz; so manches interessante, tiefgreifende Thema wird auf kluge Art angesprochen und man findet eine ganze Reihe von Sätzen, die sich unglaublich philosophisch anhören. Versierte Leser finden den ein oder anderen bekannten Namen und eine Vielzahl von Anspielungen, doch wird darauf nicht näher eingegangen, und man braucht diese Kenntnisse keinesfalls zum Verständnis des Buches.
Der Humor erinnert an einigen Stellen sehr stark an Pratchett oder Douglas Adams, kommt aber immer auf eine etwas poetischere Art daher. Wegen einer spannenden Geschichte braucht man dieses Buch bestimmt nicht lesen, aber wer gerne die Doré-Bilder in einer Verpackung aus intellektuell angehauchtem Humor, lustigen Einfällen und sprachlichen Höhenflügen genießen will, ist hier an der richtigen Adresse.
(rezensiert von: mistkaeferl)
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Fazit: Lustig, düster und poetisch - ein Märchen zu Bildern, bei dem nicht Spannung und komplexe Handlung im Vorgergrund stehen.



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Wilde Reise durch die Nacht (gelesen wurde die TB-Ausgabe, ISBN 3-442-45291-0):
Bibliotheka Phantastika verleihtSterne:
Es werden eine Reihe von Orten bereist, von denen die meisten an sich nicht sonderlich ungewöhnlich sind - Die Insel der gepeinigten Jungfrauen ist einfach nur eine felsige Insel und Der Wald der Gespenster ist auch nur ein alter und dichter Wald - nur Der Korridor der Möglichkeiten, in dem versucht wird, das Chaos des Universums zu ordnen, ist sowohl als Schauplatz an sich ungewöhnlich (wie auch der Mond) und wird etwas ausführlicher Beschrieben (im Gegensatz zum Mond). Vom Korridor abgesehen sind die Schauplätze nur Szenenkulisse und beeinflussen den Ablauf der Geschichte nicht (oder nur minimal).
Die Figuren dagegen stecken voller Überraschungen. Der junge Gustave Doré bleibt allerdings recht farblos, er ist ein zwölfjähriger Junge, den nur wenig erschüttern kann. Er ist außerdem geistesgegenwärtig und hat ein verflixt gutes Gedächtnis. Nachdem er mit dem Tod eine Wette abgeschlossen hat - es geht um seine Seele - muß er sechs Aufgaben bewältigen. Dabei trifft er auf viele sonderbare Wesen: Er fliegt auf einem Greifen, spricht mit einer Qualle, kämpft gegen einen Drachen, begegnet seiner Traumprinzessin, Walddämonen, Riesen, dem schrecklichsten aller Ungeheuer und vielen mehr. Allen diesen Wesen ist gemein, daß sie nicht so sind, wie sie zunächst scheinen; manchmal ist der Unterschied offenkundig, manchmal hintergründig. Das schrecklichste aller Ungeheuer läßt zunächst ein fieses Monstrum vermuten und sieht auch so aus: Es ist ein gewaltiges geflügeltes Schwein, mit den Vorderklauen einer Echse, den Hinterbeinen einer Ziege, dem Schwanz einer Schlange und den Schwingen eines Adlers - zu häßlich um komisch zu wirken. Doch es entpuppt sich als recht umgänglich und erzählt Gustave so manches über das Universum, das Leben und Tod - es hat alle Zeit der Welt.
Hexenmeister und Zaubersprüche gibt es keine, aber Magie in Hülle und Fülle, zumeist als Fabelwesen - auf fast jeder Seite muß Gustave sich mit wenigstens einem auseinandersetzen - aber auch durch ungewöhnliche Umstände - Versinken im Boden, Atmen und Sprechen im Weltraum - und einem magischen Gegenstand, dem Reisewein: Trinkt man ihn, so reist man magisch zum nächsten Ort.
Die Geschichte hat die Form einer klassischen Queste: Gustave muß eine abenteuerliche Reise machen, bei der er sechs Aufgaben zu lösen hat - eine Jungfrau aus den Klauen eines Drachen befreien, einen Wald voller bösartiger Geister durchqueren, die Namen von sechs Riesen erraten, einen Zahn vom schrecklichsten aller Ungeheuer bringen, sich selbst begegnen und schließlich auf dem Mond vom Tod eine letzte Aufgabe erfüllen - um seine Seele zu retten. Mal muß der Junge kämpfen, mal scharf nachdenken und mal sein diplomatisches Geschick spielen lassen. Häufig gibt es einen überraschenden Dreh, der aus einer klischeehaften Aufgabe etwas ungewöhnliches macht.
Man kann dem Werk noch einen weiteren Kniff geben, indem man die Aufgaben, die Gustave bewältigen muß um seine Seele zu retten, als Metapher auf die Schwierigkeiten ein kreatives und unangepaßtes Leben zu führen begreift, doch bei einigen Aufgaben braucht es viel guten Willen, um sie unter dieses Schema zu subsumieren.
Wilde Reise durch die Nacht hat mit verschiedenen Werken Ähnlichkeit. Alice im Wunderland könnte bei manchen der Umschwünge und sonderbaren Deutungen Pate gestanden haben, doch während bei Alice die Naturgesetze bis hin zur Kausalität auf dem Kopf gestellt werden, bleibt es in der Reise unvergleichlich zahmer und konventioneller. Münchhausen erzählt könnte Vorbild für einige Größenordnungen, mit denen Gustave es zu tun bekommt (Siamesischer Zwillingssturm), gewesen sein - sicher aber ist, daß die Reise Elemente eines Lügenmärchens enthält, auch wenn diese schließlich anders gelöst werden. Aber gerade im fortgeschrittenen Verlauf wird eine ganz ungewöhnliche Verwandtschaft deutlich: Die zu diversen Werken der englischen Komikertruppe Monty Python. Ähnlich wie bei diesen ist vieles an der Reise absurd oder grotesk, gerade die Darstellung der Gewalt erinnert an Ritter der Kokosnuß: Gustaves Schwert [war] durch ihre Bäuche gefahren und hatte die Oberkörper [...] säuberlich von den Unterkörpern getrennt. Stöhnend und schreiend lagen die Halbierten [...] am Boden, während ihre unteren Hälften orientierungslos in der Gegend herumliefen. Die Gedärme fingen an, über die Hüften zu quellen und sich auf der Alm zu verteilen, und aus den Bäuchen strömte das Blut in breiten roten Bächen. (S. 129) - Conan ist ein Weisenknabe neben Gustave. Leider aber gelingt es dem Autoren nicht, den besonderen Witz der Komiker ebenso einzufangen; es ist zwar komisch, aber nur selten muß man lachen. Es scheint mir auch zarte Anspielungen auf H.P. Lovercrafts Traumlande-Geschichten zu enthalten - z.B. erinnert der Reisewein sanft an den Weltraum-Met. Daneben sind noch deutliche Hinweise auf andere Werke der Literatur zu finden: Don Quichote, Gargantura und Pantagruel u.a., aus denen Illustrationen des historischen Gustave Doré für die Reise entnommen wurden. Der historische Gustave Doré war ein Illustrator, der schon in jungen Jahren seine hervorragenden Zeichnungen veröffentlichte, meist zu phantastischen Themen. Moers hat eine Reihe von beeindruckenden Bildern ausgewählt, diesen einen unerwarteten Dreh gegeben und daraus eine Geschichte gemacht. Leider ist sie zu inkohärent, man hangelt sich von Episode zu Episode und bemerkt die Brüche zu sehr.
Sprachlich ist das Werk interessant gestaltet, so finden sich wunderbare, poetische Landschaftsbeschreibungen, die abrupt von alltagssprachlichen Gesprächen unterbrochen werden; dieses trägt unzweifelhaft positiv zum Gesamtbild der absurden und grotesken Reise bei.
(rezensiert von: Theophagos)

gesamt
Welt
Sprache
Aufmachung
Story

Fazit:
Eine sehr phantasievolle Queste um die eigene Seele zu erretten, voller höchst absurder und grotesker Situationen und Figuren - leider sind die Bilder Dorés zu dominant, daher wird keine kohärente Geschichte daraus.

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